Wie kann die Berliner Landespolitik weitere Mietsteigerungen verhindern?

Empfehlung an Bündnis90/Die Grünen zur Diskussion auf dem Mietenkongress 2010, damals noch als Mitarbeiter des Vereins "Bewegung für soziale Dreigliederung". Das Konzept wurde in das Kompendium aufgenommen, so dass ich die Kernthesen auf dem Kongress auch persönlich darstellen konnte.

Abstract

Der Mietsteigerung kann nicht dadurch entgegengewirkt werden, dass der Staat Eigentümer von Grund und Boden wird, denn der Ursprung der Mietsteigerung liegt in einem Aspekt des Eigentums als solchem: seiner Käuflichkeit. Der Senat selbst hat seit dem Mauerfall bereits 310.000 Sozialwohnungen verkauft. Der Mietsteigerung kann aber auch nicht dadurch entgegengewirkt werden, dass der Senat sozialen Wohnungsbau bezuschusst. Denn das kommt einer Subventionierung der Eigentümer und Entmündigung der Mieter gleich, was langfristig den Wohnraum wieder verteuert.

Eine dauerhafte Sozialbindung des Eigentums und eine Leistungsbezogenheit der Mieten lässt sich nur dadurch erzeugen, dass wenigstens für ausgesuchte Mietobjekte Grund und Boden in Rechtsverhältnisse eingebunden wird, die auch die Parteipolitik einer Wahlperiode überdauern. Solche Rechtsverhältnisse werden gegenwärtig von Initiativen wie Stiftung Edith Maryon, Stiftung trias oder Mietshäuser Syndikat faktisch hergestellt. Die Bewegung für soziale Dreigliederung e.V. möchte deshalb folgende Maßnahmen zur Diskussion stellen:

  • 1. Unterstützung der Initiativen zur Senkung der Mieten
  • 2. Die Vergabe von Grund und Boden in Erbpacht durch senats- oder parteieigene Stiftungen
  • 3. Eine generelle Grundsteuerbefreiung der Initiativen zur Senkung der Mieten
  • 4. Verpflichtung des Senats, eine Vergabe in Erbpacht einem Verkauf vorzuziehen
  • 5. Verpflichtung des Senats, soziale Initiativen als Käufer vorzuziehen
  • 6. Ein Vorkaufsrecht für Mieter, sofern sie die Wohnungen nicht in Eigentumswohnungen umwandeln, sondern gemeinschaftlich verwalten
  • 7. Aufklärung der betroffenen Mieter über Wege, wie sie mit Hilfe des Stiftungs- oder Syndikatsmodells ihr Haus der Spekulation entziehen können
  • 8. Leistungsnachweis des Vermieters bei Mieterhöhungen und Neuvermietung
  • 9. Öffentliches Eintreten der Parteien für die Schaffung einer speziellen Rechtsgrundlage für unverkäufliche Eigentumsformen
  • 10. Die Bildung eines Rates aus Vertretern von Initiativen und Parteien

Die Vorschläge werden in dem folgenden Essay erläutert und begründet. Eine Ergänzung zu diesem Papier mit Stellungnahmen zu den einzelnen Instrumenten der Wohnungspolitik findet sich außerdem hier. Für vertiefende Gespräche stehe ich jederzeit persönlich zur Verfügung.

Inhalt:

 

  • I. Zusammenfassung

  • II. Die Folgen der Mietsteigerung für Berlin und ihre Ursachen

    • a) Was bedeutet das Ansteigen der Mieten speziell für Berlin?
    • b) Was sind die Ursachen der Mietsteigerung?
  • III. Erfolgreiche nicht-politische Maßnahmen zur Senkung der Mietkosten

    • a) Funktionsprinzip der Initiativen zur Senkung der Mietkosten
    • b) Das Stiftungsmodell
    • c) Das Syndikatsmodell im Vergleich
  • IV. Was kann die Berliner Landespolitik tun?

    • a) Mögliche Formen der Unterstützung sozialer Initiativen
    • b) Die Gründung einer senatseigenen oder parteieigenen Initiative
  • V. Anhang

    • a) Anmerkungen
    • b) Adressen
    • c) Literatur

I. Zusammenfassung

Die Berliner Landespolitik kann ein weiteres Steigen der Mieten für bestimmte Mietobjekte verhindern. Darüber hinaus kann sie möglicherweise auch der allgemeinen Verteuerung des Wohn- und Arbeitsraumes entgegenwirken. Sie muss dabei nicht einmal Geld ausgeben. Unbedingt muss sie sich aber zu einer differenzierteren Sichtweise des Verhältnisses zwischen Staat bzw. Senat und den zu entlastenden Mietparteien durchringen.

Der Mietsteigerung kann nicht dadurch entgegengewirkt werden, dass der Staat Eigentümer von Grund und Boden wird, denn der Ursprung der Mietsteigerung liegt in einem Aspekt des Eigentums als solchem: seiner Käuflichkeit. Wer deshalb das Eigentum bloß zum Staat hinüberschieben will, der tut noch nichts für die Sicherung einer sozialverträglichen Nutzung des Grundstückes. Gesichert werden kann eine sozialverträgliche Nutzung nur durch ein Rechtsverhältnis, das auch für den Staat bindend ist, und zwar über die Wahlperiode hinaus.

Tatsächlich haben Initiativen wie Stiftung Edith Maryon oder Mietshäuser Syndikat gezeigt, dass sich die Mieten durch eine Korrektur dieses Aspekts des Eigentums senken lassen. Der Staat kann der Mietsteigerung also dadurch entgegenwirken, dass er einerseits die bestehenden Initiativen unterstützt, und andererseits selbst Maßnahmen ergreift, die der Käuflichkeit des Eigentums entgegenwirken. Wird das Eigentum allerdings in einen der hier zu schildernden, praktisch erprobten rechtlichen Rahmen eingebunden, dann kann auch das Staatseigentum langfristig zur Senkung der Mieten beitragen.

Im Folgenden will ich einerseits Wege beschreiben, wie die Landespolitik Mietsteigerungen für einzelne Mietobjekte gezielt verhindern kann, und andererseits Vorschläge machen, wie der Verteuerung des Berliner Lebensraumes insgesamt entgegengewirkt werden kann. Zunächst aber will ich die Auswirkungen der Mietsteigerungen speziell für Berlin sowie die Ursachen der Mietsteigerung kurz umreißen, um dann das Funktionsprinzip der bereits erfolgreich arbeitenden Initiativen zur Senkung der Mieten zu erläutern, denn allein aufgrund dieses Wissens kann die mögliche Wirksamkeit der empfohlenen Gegenmaßnahmen beurteilt werden. Insofern dieses Wissen aber vorausgesetzt werden darf, kann Kapitel IV, das die konkreten Vorschläge an Parteien und Senat beinhaltet, auch alleine gelesen werden.

II. Die Folgen der Mietsteigerung für Berlin und ihre Ursachen

a) Was bedeutet das Ansteigen der Mieten speziell für Berlin?

Berlin bietet mit einer durchschnittlichen Miete von 5,60 Euro pro Quadratmeter immer noch den günstigsten Lebensraum in Deutschland. In München kostet der Quadratmeter 9,70 Euro. Da ist für die Berliner noch Platz nach oben, könnte man meinen. Aber Berlin ist nicht München. Nicht nur, weil das durchschnittliche Einkommen in Berlin deutlich geringer ist. Berlin ist wirtschaftlich, kulturell und sozial von den vergleichsweise günstigen Miete abhängig. Das wirtschaftliche Schwergewicht auf Gastronomie, Dienstleistung und Kultur, die Weitläufigkeit der Stadt mit ihren vielen, kleinen, gewachsenen Zentren, und die besondere ethnische Zusammensetzung sind mit durch die günstigen Mieten bedingt. Ein Ansteigen der Mieten auf Bundesdurchschnitt wäre eine ökonomische, kulturelle und soziale Katastrophe für Berlin. Genau die scheint sich jetzt aber anzubahnen.

Die Mieten sind in Berlin allein in den letzten Monaten vielerorts um bis zu 14% gestiegen[1]. Gleichzeitig steigen die Einkommen nicht etwa, sondern sinken. Im verarbeitenden Gewerbe sind sie z.B. allein im August 2009 um 7,5% gesunken[2]. Den Menschen bleibt entsprechend weniger zum Leben, und das lähmt wiederum die Wirtschaft. Zuerst spürt das ausgerechnet die Berliner Wirtschaft, die stark auf Dienstleistungen und Gastronomie ausgerichtet ist. Insgesamt wird die Auflösung gewachsener Wirtschaftszusammenhänge zugunsten ein paar weniger, dafür aber umso monströserer Shopping-Center an Randgebieten beschleunigt.

Für Menschen mit geringem Einkommen, wie Arbeitslose, Rentner oder Kranke, wird die Situation dramatisch, denn diese Gruppen haben keinen Spielraum mehr, um bei ihren Ausgaben zu sparen. Viele sind deshalb gezwungen, ihre Bezirke und damit das soziale Umfeld, in das sie sich eingelebt haben, zu verlassen[3]. Das trifft insbesondere auch kinderreiche Familien, da gerade größere Wohnungen kaum mehr bezahlbar sind. Besonders dramatisch wird es jetzt dadurch, dass viele gar nicht fliehen können, weil sie in keinem Bezirk mehr eine bezahlbare Wohnung finden. Günstige Wohnungen gibt es noch in Neukölln oder Alt-Moabit, aber auch dort steigen jetzt die Mieten.

Auch Künstler und Kulturschaffende jeder Art sind besonders von den steigenden Mieten betroffen. Denn die Kultur ist ohnehin ein Kostenfaktor, sie ist selbst auf Spenden oder staatliche Förderungen angewiesen. Gerade der kulturelle Sektor hat daher das Nachsehen, sobald die Mieten steigen.

Touristen kommen nach Berlin, nicht etwa wegen Museumsinsel und Brandenburger Tor, sondern wegen dem besonderen Charme der Stadt. Und dieser Charme rührt daher, dass sich in Berlin bislang sowohl viele kleinere Fach-Geschäfte, als auch viele einzigartige Kulturinitiativen dank der deutschlandweit einmalig niedrigen Mietpreise behaupten konnten. Indem die angestammten Einwohner, die originellen Geschäfte, und die kulturellen Initiativ-Kräfte aus ihren Kiezen vertrieben werden, verliert Berlin insgesamt an Attraktivität.

Die Zerstörung der wirtschaftlichen Binnenstruktur, die Schwächung der Kaufkraft und die dadurch verursachten Umsatzrückgänge in Gastronomie und anderem Dienstleistungsgewerbe, die Lähmung der wirtschaftlichen und kulturellen Initiativ-Kräfte, die Auflösung gewachsener Sozialstrukturen und die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung wird den Senat in bisher nie da gewesenem Ausmaß finanziell und substanziell belasten. Finanziell, weil einerseits Steuereinnahmen wegfallen und andererseits staatliche Hilfen vermehrt in Anspruch genommen werden müssen, substanziell, weil die Verarmung und der Zusammenbruch sozialer Netzwerke die Kriminalitätsrate, nachdem sie in den letzten Jahren erfreulicherweise gesunken ist, wieder in die Höhe treiben wird.

Dem Steigen der Mieten muss daher entgegengewirkt werden.

b) Was sind die Ursachen der Mietsteigerung?

Es mag eine gewisse Scheu davor geben, die Ursachen der Mietsteigerung zu benennen, weil man sich dann schnell in eine Grundsatzdebatte hineingezogen sieht. Das bloße Benennen der Tatsachen kann dann dazu führen, dass man einer der miteinander streitenden Ideologien zugeordnet wird. Aber nicht derjenige denkt ideologisch, der die Tatsachen unbefangen benennt, sondern derjenige, der zwangsläufig gewisse weltanschauliche Schlüsse aus diesen Tatsachen zieht. Die Gefahr eines solchen Missverständnisses darf nicht dazu verleiten, vor einem sachlichen Urteil zurückzuschrecken. Denn nicht um ideologische Grabenkämpfe zu führen müssen die Ursachen der Mietsteigerung klar benannt werden, sondern um die Wirkung konkreter Gegenmaßnahmen einschätzen zu können.

Ursache der Mietsteigerung ist die Käuflichkeit von Grund und Boden. Denn der Käufer spekuliert in der Regel auf eine Ertragssteigerung. Und der Ertrag besteht in den Mietzahlungen der Nutzer. Solange eine Immobilie immer weiter verkauft wird, und die Investoren ihre Ansprüche nicht aus den Mietzahlungen, sondern aus dem Verkauf befriedigen, scheint es anders zu liegen. Während des steten Weiterverkaufs erhöht sich jedoch die Erwartung auf zukünftige Mietzahlungen. Je öfter eine Immobilie verkauft wird, desto mehr muss sie sich in Zukunft rentieren, desto stärker ist der Druck, dass Mietsteigerungen möglich sein müssen. Sobald der Immobilienhandel dann ins Stocken gerät, und die Investoren ihre Ansprüche nicht mehr durch einen Weiterverkauf befriedigen können, bekommen die Mieter den ganzen Druck zu spüren.

Hier besteht ein Zusammenhang zwischen der Mietsteigerung in Berlin und der weltweiten Finanzkrise. Die Mietsteigerung in Berlin ist eine unmittelbare Folge der durch die Immobilien- und Finanzkrise verursachten Umsatzeinbrüche im Immobilienhandel. Dieser Zusammenhang wird auch in der Statistik sichtbar: 2008 ging in Berlin der Umsatz im Immobilienhandel um 36% zurück[4]. Die Mieten stiegen in diesem Zeitraum um bis zu 14%. Es wäre allerdings ein Trugschluss, wenn man deshalb fordern würde, man solle den Immobilienhandel wieder in Schwung bringen. Kurzfristig könnte das zwar Druck von den Mietern nehmen, jedoch nur, um den Druck langfristig zu steigern.

Die Grundlage der Käuflichkeit von Grund und Boden wiederum ist das durch unser Eigentumsrecht definierte Verhältnis zwischen Bodeneigentümer und Bodennutzer. Der Eigentümer kann von dem Bodennutzer eine Geldzahlung verlangen, die über das hinausgeht, was er zur Verwaltung und Instandhaltung der Immobilie aufwenden muss. Der Eigentümer kann also ein Einkommen beziehen, das nicht durch eine Leistung gedeckt ist. Das ist der Grund der Immobilienspekulation. Denn wer in Immobilien investiert, der spekuliert selbstverständlich nicht auf die Kosten, die ihm aus der Instandhaltung des Hauses entstehen, sondern der spekuliert auf den Teil der Miete, für den er den Mietern keine Leistung erbringen muss.

Bei einem normalen Kaufgeschäft lässt sich mit Rücksicht auf den Aufwand der Produktion entscheiden, ob die Ware teuer oder billig ist. Insofern sich der Eigentümer einer Immobilie nicht für die Instandhaltung und den Betrieb des Hauses, sondern für das Wohnrecht bezahlen lässt, kann man nicht entscheiden, welcher Preis angemessen ist. Denn das Wohnrecht als solches wurzelt nicht in einer Leistung des Eigentümers. Deshalb hat die Miete prinzipiell nach oben hin keine Grenze, und wird, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, real nur durch die Zahlungsfähigkeit der Mieter begrenzt. In der Folge werden auf der einen Seite Menschen aus ihrem sozialen Lebenszusammenhang herausgeworfen, und auf der anderen Seite neue Lebenszusammenhänge künstlich geschaffen – diesmal getrennt nach Maßgabe des Geldbeutels.

Die Ursache der Mietsteigerung ist die Existenz eines Marktes für Grund und Boden – und dessen Grundlage, die mit unserem Eigentumsrecht gegebene Möglichkeit eines leistungslosen Einkommens. Dass dieser Zusammenhang auch von einer demokratischen Mehrheit durchschaut wird, ist im Augenblick sicher utopisch. Gleichwohl muss sich derjenige, der auf Landesebene der Mietsteigerung entgegenwirken will, auf die Frage konzentrieren, wie Lebensräume geschaffen werden können, die dem Immobilienmarkt entweder überhaupt nicht, oder nur mit Einschränkungen zur Verfügung stehen. Und er muss sich auf die Frage konzentrieren, wie, wenigstens für ausgesuchte Mietobjekte, Mietzahlungen von realwirtschaftlichen Leistungen abhängig gemacht werden können.

Auf beide Fragen gibt es praktische Antworten. Das beweisen nicht zuletzt die Initiativen, die auch in Berlin real Wohnformen geschaffen haben, die von der gegenwärtigen Mietsteigerung nicht betroffen sind.

III. Erfolgreiche nicht-staatliche Maßnahmen zur Senkung der Mietkosten

a) Das Funktionsprinzip der Initiativen zur Senkung der Mietkosten

Wenn die Kosten für Betrieb und Instandhaltung der Immobilie steigen, dann müssen selbstverständlich auch die Mieten steigen. Das ist eine ökonomische Notwendigkeit. Die Miete enthält jedoch auch einen Anteil, der nicht durch die Instandhaltung des Hauses oder andere Leistungen gedeckt ist. Diesen Teil der Mieten muss man im Blick haben, wenn man gegen die Mietsteigerung vorgehen will, denn nur dieser Teil ist ökonomisch nicht begründet und kann deshalb reduziert werden.

Die Immobilienfonds kaufen nicht deshalb, weil sie die Immobilien nutzen wollen, sondern sie kaufen, weil sie von denjenigen, die ihrerseits die Immobilien nutzen wollen, eine Leistung beziehen können, ohne selbst eine Gegenleistung erbringen zu müssen. Auf diese Weise konservieren die Investmentbanken das Kapital ihrer Kunden im Boden, auch im Berliner Boden, um es so gegen den inflationsbedingten Wertverlust zu sichern. In der Konsequenz bedeutet das, dass gegenwärtig der Berliner Hartz IV-Empfänger über den Umweg der Miete für die Spekulationsverluste der Banken aufkommt.

Darin offenbaren sich zwei Schwachstellen unseres ansonsten recht fortschrittlichen Eigentumsrechts. Unser Eigentumsrecht ermöglicht nämlich einerseits ein Auseinandergehen von Nutzungsrecht und tatsächlicher Nutzung, und andererseits ein Ablösen des Geldflusses von der Realwirtschaft. Genau da setzen die Initiativen, die Mietsteigerungen derzeit erfolgreich verhindern, an: Sie korrigieren unser Eigentumsrecht in diesen zwei Punkten. Stiftung Edith Maryon, Stiftung trias und Mietshäuser Syndikat stellen sowohl den Zusammenhang zwischen Nutzungsrecht und realem Nutzungszweck, als auch den Zusammenhang zwischen Geldzahlung und Leistung wieder her.

Da unser Recht gegenwärtig noch keine andere Grundlage bietet, müssen die genannten Initiativen selbst auf unserem gewöhnlichen Eigentum aufbauen. In Verbindung mit anderen Rechtsformen und Verträgen gelingt es ihnen jedoch, der Wirklichkeit dieses Eigentums einen anderen Sinn zu geben und seine im Recht angelegten negativen Eigenschaften faktisch auszuschalten. Dabei gehen sie das Eigentum von zwei Seiten her an: sie verändern sowohl seine äußere als auch seine innere Wirklichkeit. Zu der äußeren Wirklichkeit gehört die Käuflichkeit des Eigentums, diese wird durch gewisse Rechtsmittel, die noch genauer zu betrachten sind, ausgeschlossen oder zumindest sehr erschwert. Zur Innenseite gehört das Verhältnis zwischen Eigentümer und Nutzer, dieses wird ebenfalls durch Rechtsmittel, aber auch durch Vertragsverhältnisse und soziale Netzwerke konträr zu dem Verhältnis gestaltet, das sich aus dem bloßen Eigentumsrecht ergibt: Eigentum ohne gleichzeitige Nutzung ist ausgeschlossen, häufig ist das Eigentum sogar an einen bestimmten Nutzungszweck geknüpft, das Wohnrecht lässt sich nicht vergüten, und die Höhe der Miete orientiert sich an den realen Kosten für Betrieb und Instandhaltung der Immobilie.

Diese Aspekte sind bei allen Initiativen zur Senkung der Mietkosten vorhanden. Die Gewichtung und auch die Effektivität der einzelnen Maßnahmen ist bei den jeweiligen Initiativen jedoch sehr unterschiedlich. Allgemein kann man sagen: bei dem Stiftungsmodell überwiegt mehr der Aspekt der Zweckbindung des Eigentums, bei dem Syndikatsmodell mehr die Leistungsbezogenheit der Miete. Eine genauere Beschreibung der Arbeitsweise der Initiativen wird das herausstellen, und dann wird auch deutlich werden, was von staatlich-rechtlicher Seite getan werden kann.

b) Das Stiftungsmodell

Liegt das Grundeigentum bei einer Stiftung, ist allein durch das Stiftungsrecht schon ein problematischer Aspekt unseres Eigentums korrigiert: Die Trennung von Eigentumsrecht und konkretem Nutzungszweck. Die rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Stiftungszweck bindet das Eigentum wieder an eine bestimmte Art der Nutzung. Und dieser Zweck kann relativ frei definiert werden. Die Schaffung günstiger Wohnräume, die Erhaltung gewachsener Sozialstrukturen, der Schutz der Natur vor neuer Bebauung – das Eigentum kann von der Berücksichtigung solcher oder anderer Aspekte abhängig gemacht werden.

Stiftung Edith Maryon formuliert ihren Zweck wie folgt: „Wir betrachten es als unsere Mission, im Dialog mit Eigentümern und Nutzern Grund und Boden aus dem Waren- und Erbstrom herauszulösen, damit dieser der Spekulation entzogen und somit dauerhaft und immer wieder neu für Vorhaben, die der Gesellschaft dienen, verfügbar wird. Das übergeordnete Ziel ist jeweils die Entschuldung des Bodens. Weitere soziale Ziele sind die Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten, die Förderung des sozialen Zusammenlebens von Jung und Alt, Familien und Singles, behinderten und nicht behinderten Menschen etc., die Stärkung von Eigenverantwortung und Selbstverwaltung sowie die Förderung einer lebendigen, organischen Architektur einschließlich ökologischer Bauweisen, in der sich die Menschen wohlfühlen und als einzelne und soziale Individuen wiederfinden können.“ Und weiter heißt es auf der Webseite der Stiftung: „Durch Kauf, Schenkungen und Legate erwirbt die Stiftung Immobilien. Die Stiftung stellt diese langfristig und sozial verträglich zur Verfügung – beispielsweise in Form von Miet-Eigentum oder im Baurecht. Sie stellt günstigen Wohnraum und Raum für sonstige, vorzugsweise soziokulturelle Nutzungen auch an zentralen Lagen bereit. Sie schafft Transparenz bei Bodennutzungsfragen und bekennt sich zu einem sparsamen Umgang mit Grund und Boden, zur biologisch-dynamischen Landwirtschaft sowie zum ökologischen Bauen. Die Stiftung steht initiativen Menschen zu Fragen im Umgang mit Grund und Boden und den darauf errichteten oder noch zu planenden Bauten als Partnerin zur Seite. Dies gilt insbesondere für die Projektabwicklung, die Entwicklung alternativer Rechtsformen und Finanzierungsmodelle, die Vertragsgestaltung und die Erarbeitung von Selbstverwaltungsstrukturen. Schließlich stellt die Stiftung auch ihre Struktur zur Verfügung, damit nicht bei jedem Vorhaben eine eigene Rechtsträgerschaft gegründet bzw. unterhalten werden muss. So sind bereits mehrere Ein-Haus-Projekte in unserer Stiftung aufgegangen oder werden von uns betreut.“ Ähnliches findet sich bei Stiftung trias.

Eine Stiftung kann also bestimmte Interessen der Bodennutzer sichern. Außerdem kann sie die Käuflichkeit stark einschränken. Denn sollte ein Grundstück doch verkauft werden, darf der Gewinn nur wiederum in den selben Zweck investiert werden. Ist in dem Stiftungszweck z.B. die Erhaltung von Biotopen enthalten, wie bei Stiftung trias, dann kann ein Biotop nicht verkauft werden, um von dem Erlös ein Hotel zu bauen, sondern nur, um ihn wieder im Sinne des Stiftungszwecks auszugeben – also z.B. wieder für ein Biotop. Ein Verkauf macht deshalb auch nur in Ausnahmefällen Sinn. Selbst wenn also die Käuflichkeit allein durch das Stiftungsrecht nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden kann, so ist doch ein Verkauf aus dem bloßen Gewinninteresse heraus ausgeschlossen.

Das Stiftungsecht muss sich jedoch mit einem anderen Recht verbinden, um effektiv Mietsteigerungen zu verhindern und gewachsene Sozialstrukturen zu erhalten. Denn erstens kann eine Stiftung wie jeder andere Eigentümer auch wirtschaftlich unbegründete Zahlungen verlangen. Zweitens kann sie dem Bodennutzer Vorschriften machen oder den Boden gar selber besitzen, wenn sie bloß gewöhnlicher Eigentümer ist. Deshalb verbinden Stiftung Edith Maryon und Stiftung trias das Stiftungsrecht mit dem Erbbaurecht. Erst diese Kombination ist das, was hier Stiftungsmodell genannt wird und als ein möglicher Weg zur dauerhaften Senkung der Mietkosten beschrieben werden soll.

Mit dem Erbbaurecht bietet das Gesetz die Möglichkeit, das Eigentum an einem Haus von dem Eigentum des Bodens, auf dem das Haus steht, zu unterscheiden. Der Eigentümer des Bodens vergibt das Eigentum des Hauses gegen Zahlung eines Erbbauzinses. Der sogen. Erbpächter erhält weit mehr Rechte als ein gewöhnlicher Mieter, eben das volle Eigentumsrecht an dem Haus. Indem Stiftung Edith Maryon und Stiftung trias das Eigentum an Grund und Boden halten, das Eigentum an den sich darauf befindlichen Häusern jedoch in Erbpacht geben, können sie einerseits, wie oben dargestellt, die Nutzung des Bodens an einen Zweck binden, und andererseits den Nutzern die volle Gewalt über das Grundstück geben und sie vor Eingriffen des Bodeneigentümers schützen.

Das Erbbaurecht ist nicht unproblematisch. Ob seine Verwendung tatsächlich einen Fortschritt gegenüber der gewöhnlichen Miete bedeutet, hängt von vielen Faktoren ab. Theoretisch kann z.B. der Erbbauzins wie die Miete zum Gegenstand der Spekulation werden, wenn dieses Problem im Erbpachtvertrag nicht berücksichtigt wurde. Bis 1994 durfte der Erbbauzins während der Laufzeit des Vertrages von üblicherweise 99 Jahren nicht verändert werden. Danach wurde es möglich, eine Anpassungsklausel in den Vertrag aufzunehmen, wonach sich der Erbbauzins an den aktuellen Spekulationswert des Bodens anpassen soll. Diese Anpassungsklausel kann selbstverständlich nicht Bestandteil des Vertrages sein, wenn er in dem hier gemeinten Sinn wirken soll.

Spekulieren kann aber auch der Erbpächter. Als Eigentümer des Hauses darf er dieses vermieten, und kann also auf die Differenz zwischen Erbbauzins und Miete spekulieren. Außerdem darf er sein Erbbaurecht an einen dritten abtreten, und kann dieses also theoretisch auch verkaufen. Beides kann jedoch im Erbpachtvertrag ausgeschlossen werden, und es muss ausgeschlossen werden, wenn der Erbpächter nicht die guten Absichten des Grundstückseigentümers vereiteln soll.

c) Das Syndikatsmodell im Vergleich

Das Mietshäuser Syndikat wurde 1983 in Freiburg gegründet und umfasst mittlerweile 71 Hausprojekte in ganz Deutschland. Keine der Immobilien kann jemals wieder gekauft oder verkauft werden. Trotzdem haben die Bewohner das volle Eigentumsrecht. Das funktioniert so: Die Mieter eines Hauses wollen ihren Vermieter von der Last des Eigentums befreien. Dazu gründen Sie einen Hausverein. Der Hausverein gründet wiederum eine Hausbesitz-GmbH. An der Hausbesitz-GmbH beteiligt sich der Hausverein mit 12.400 Euro, das Syndikat mit 12.600 Euro. Das Syndikat ist der Verbund aller bereits bestehenden Hausvereine, und an der Hausbesitz-GmbH sind die Mieter also von zwei Seiten her beteiligt: über den Hausverein und über das Syndikat.

Die Hausbesitz-GmbH kauft jetzt das Haus. Das Geld dafür kommt zu einem Teil von der Bank, zu einem anderen Teil aus Direktkrediten von den bereits schuldenfreien Hausbesitz-GmbHs. Über die Miete, die meist bei 3 bis 4 Euro pro Quadratmeter und damit weit unter dem Mietspiegel liegt, wird der Kredit zurückbezahlt. Sobald der Kredit abbezahlt ist, zahlen die Mieter die Miete an sich selbst. Die Miete wird gewissermaßen frei und steht der Hausbesitz-GmbH als Kapital zur Verfügung. Idealerweise sollte dieses Kapital für die Instandhaltung des Hauses und die Finanzierung neuer Projekte verwendet werden.

Innerhalb der GmbH sind die Stimmrechte so verteilt, dass der Hausverein die volle Entscheidungsgewalt hat – mit einer Ausnahme: Wenn er das Projekt verkaufen oder in anderer Weise kapitalisieren will, sperrt das Syndikat. Ein Eigentümer-Wechsel geschieht also nicht mehr durch Kauf, sondern dadurch, dass die Menschen eben ein- oder ausziehen. Einlagen können beim Auszug zurückverlangt werden, allerdings ohne Zinsen.

Im Stiftungsmodell ist das Vermögen an einen sozialen Zweck gebunden. Der Begriff „Vermögen“ kann jedoch sowohl das Grundstück als auch den Gegenwert des verkauften Grundstückes meinen. Und obzwar ein Verkauf des Grundstückes durch die Zweckbindung des Vermögens unwahrscheinlich ist, so wird er doch nicht systematisch ausgeschlossen. Das Syndikat will dagegen bewusst einen Verkauf des konkreten Grundstückes verhindern. Und tatsächlich kommt das Syndikatsmodell dem Ideal der Unverkäuflichkeit von Grund und Boden näher als das Stiftungsmodell. Denn ein Verkauf wäre nur mit Zustimmung der Nutzer des Grundstücks sowie der Zustimmung aller im Syndikat miteinander verbundenen Projekte möglich.

Im Gegensatz zum Stiftungsmodell ist beim Syndikat außerdem die Leistungsbezogenheit der Miete im System verankert. Die Mieter sind nämlich selbst Verwalter des Kapitals, das sie durch ihre Mietzahlungen erzeugen, und müssen selber entscheiden, wer mit welcher Dienstleistung beauftragt werden soll. Die Leistungsbezogenheit der Miete ist im Syndikatsmodell somit gewissermaßen automatisch gegeben. Beim Stiftungsmodell häng sie dagegen von der jeweilige Initiative und dem genauen Vertragsinhalt ab. Wofür wird der Erbbauzins bezahlt? Das muss bewusst gestaltet werden. Er sollte mit einer an dem gepachteten Grundstück erbrachten Leistung, mit einem zu tilgenden Kredit zusammenhängen, oder als Solidarbeitrag verstanden werden können.

Der wichtigste Unterschied zwischen Stiftungsmodell und Syndikatsmodell ist aber die Tatsache, dass Grundstückseigentümer und Hauseigentümer im Stiftungsmodell getrennt, im Syndikatsmodell dagegen identisch sind. Für die Sozialstruktur der Projekte hat interessanterweise die psychologische Wirkung dieser beiden Tatsachen den sichtbarsten Effekt, positiv wie negativ. Während nämlich das Syndikatsmodell stärker die Eigenverantwortlichkeit fördert, kann das Stiftungsmodell mehr das Engagement für eine dem eigenen Wohnprojekt übergeordnete Idee fördern. Und während das Mietshäuser Syndikat eher damit zu kämpfen hat, dass manche Mieter nur auf den eigenen, kurzfristigen Vorteil durch die günstige Miete bedacht sind, haben die Stiftungen eher damit zu kämpfen, dass manche Erbpächter nicht wirklich selbständig werden und der Stiftung eine falsche Erwartungshaltung entgegen bringen.

IV. Was kann die Berliner Landespolitik tun?

Wer auf landespolitischer Ebene etwas gegen das Steigen der Mieten unternehmen und sich für einen sozialen Wohnungsbau einsetzen will, muss sich mit zwei Grundirrtümern auseinandersetzen. Der Erste besteht darin, dass man für gewöhnlich eine Regierung mit dem Recht identifiziert, das sie vertritt, und darum davon ausgeht, dass Grund und Boden automatisch der Allgemeinheit zu Gute käme, wenn er sich im Besitz des Staates befände. Die Realität könnte diese Meinung leicht korrigieren: Seit dem Mauerfall hat der Senat bereits 310.000 Sozialwohnungen verkauft, das ist die Hälfte der kommunalen Wohnungen. Der Hinweis auf die realen Vorgänge vermag jedoch nicht zu überzeugen, wenn man sich nicht über den prinzipiellen Fehler der populären Meinung aufklärt: Es kommt nicht nur auf den Inhaber des Rechts an, sondern auch auf den Inhalt des Rechts. Von dem Recht selber hängt die soziale Wirkung ab. Dieses Recht ist für den Staatsvertreter ebenso bindend wie für jeden anderen Bürger auch. Und das Recht, auf das man sich hier konzentrieren muss, ist das im Eigentumsrecht enthaltene Recht, die Immobilie zu verkaufen oder in anderer Weise zu kapitalisieren. Dieses Recht muss in ein sozialverträgliches Recht verwandelt werden, das dann ebenfalls für jeden Bürger bindend ist.

Der zweite Irrtum besteht in der Annahme, dass „sozialer Wohnungsbau“ zwangsläufig bedeuten müsse, dass der Senat die Eigentümer bezuschusst. Die Bezuschussung der Eigentümer hat nämlich Folgen, die der Verteuerung des Wohnraumes nicht entgegenwirken, sondern sie verstärken: Einerseits wird durch diese Form des sozialen Wohnungsbaus letztendlich die Spekulation subventioniert, die den Berliner Lebensraum insgesamt verteuert. Schwerer wiegt aber noch, dass andererseits die Menschen, die auf die verbilligten Wohnungen angewiesen sind, auf eine illusorische, weil befristete Sicherheit vertrauen, und deshalb nicht aktiv werden, um die sozialen Strukturen zu bilden, die tatsächlich Sicherheit bieten können.

Auf Landesebene sind eine Reihe von Maßnahmen, die auf den Kern des Problems zielen, also auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis selber, kurzfristig umsetzbar. Einige von ihnen können auch von einzelnen politischen Akteuren ergriffen werden, die keine Mehrheiten erwarten dürfen. Ich hoffe darauf, dass Bündnis90/die Grünen selbst aktiv werden, und darüber hinaus die eine oder andere Idee öffentlich zur Diskussion stellen, z.B. im Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf der BIH.

2 Maßnahmen scheinen mir und den meisten Mitgliedern der Bewegung für soziale Dreigliederung besonders erfolgsversprechend zu sein: 1. Die Unterstützung von Initiativen, die entweder das beschriebene Stiftungsmodell oder das Syndikatsmodell anwenden. 2. Die Gründung einer eigenen Stiftung für den Grundbesitz, entweder durch den Senat oder durch die Parteien, und die Vergabe der sich darauf befindlichen Häuser in Erbpacht.

a) Mögliche Formen der Unterstützung sozialer Initiativen

Wenn man das Wort „Unterstützung“ hört, denkt man sogleich an eine finanzielle Unterstützung. Ich denke jedoch nicht, dass das Hauptaugenmerk auf einer finanziellen Unterstützung der Initiativen ruhen sollte. Vielmehr sollten die Initiativen darin bestärkt werden, wirtschaftlich zu denken und sich selbst zu tragen. Sie haben ja bewiesen, dass sie das können, und gerade das ist das stärkste Argument für eine Unterstützung der Initiativen: Die „Hilfebedürftigen“ werden nicht zu passiven Konsumenten degradiert, sondern entwickeln sich zu Gestaltern des sozialen Lebens. Die Initiativen sichern soziale Strukturen, ohne den Steuerzahler etwas zu kosten – im Gegenteil, sie 13 sind ein wertbildender Faktor für die Ökonomie. Das heißt nicht, dass eine finanzielle Unterstützung in dem einen oder anderen Fall nicht hilfreich sein kann. Aber man sollte dabei im Bewusstsein behalten, dass die Installation einer finanziellen Abhängigkeit kontraproduktiv wirken muss.

Der Senat kann die Initiativen am besten dadurch fördern, dass er sich um das kümmert, was sein angestammtes Gebiet ist: das Recht. Eine generelle Grundsteuerbefreiung für Initiativen der beschriebenen Art anstelle der praktizierten Grundsteuerbefreiung für langen Leerstand für Immobilienfonds hätte z.B. sicher einen unmittelbaren finanziellen Effekt. Überlegungen über Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen sind jedoch spekulativ, wenn sie von einem Außenstehenden vorgebracht werden. Welche Änderungen die Arbeit der Initiativen erleichtern können, das sollten die Initiativen am besten selbst vorbringen. Sie sollten darüber mit denen sprechen, die ihrerseits wiederum beurteilen können, welche rechtlichen Rahmenbedingungen überhaupt geändert werden können. An dieser Stelle sei deshalb die Bildung eines Organs für einen Austausch zwischen den Wohnprojekt-Initiativen und Politikern angeraten.

Der Senat würde den Initiativen aber ohne Zweifel dadurch entgegenkommen, dass er mit dem Staatsbesitz anders umgeht als bisher! Vielleicht lässt sich in naher Zukunft nicht generell ausschließen, dass eine Landesregierung Geld durch den Verkauf von Sozialwohnungen in die Kassen bringt. Aber es ließen sich verbindliche Verfahrensregeln für derlei Vorhaben festlegen. Der Senat muss sich keineswegs notwendig so dumm anstellen wie bisher. Er kann z.B. durch die Vergabe des Hauses in Erbpacht ebenso gut Geld in die Kassen bringen wie durch einen Verkauf. Und auch wenn das verpachtete Haus dann nicht in ein soziales Projekt eingebunden sein sollte, sondern der Spekulation dienen würde, so bliebe wenigstens der Boden in staatlicher Hand, und der Senat wäre nicht für alle Zeit entmachtet. Man könnte also gesetzlich regeln, dass die regierende Partei des Landes vor einem Verkauf die Möglichkeit einer Anwendung des Erbbaurechts zu prüfen, und diese einem Verkauf gegebenenfalls vorzuziehen hat.

Falls aber doch verkauft werden soll, muss nicht notwendig an Spekulanten verkauft werden. Es ist völlig naiv, anzunehmen, dass Geld nur durch einen Verkauf an profitorientierte Interessenten in die Kassen kommen könne. Die oben beschriebenen sozialen Projekte sind bisher alle in der Lage gewesen, die Geldmittel für den Kauf der von ihnen verwalteten Grundstücke aufzubringen. Kurzfristig kann der Staat also auch hier Geld auftreiben, und dadurch langfristig Geld sparen, während er bei einem Verkauf an gewöhnliche Investoren zwar ebenfalls kurzfristig Geld bekommen kann, aus den Eingangs geschilderten Gründen aber langfristig mit enormen finanziellen Verlusten rechnen muss. Die jeweilige Landesregierung könnte also durchaus zwingend prüfen müssen, ob sie die betreffende Immobilie nicht auch sozialverträglich verkaufen kann.

Dasselbe gilt von den Bewohnern der betroffenen Immobilien. Die oben genannten Initiativen haben bewiesen, dass selbst scheinbar mittellose Mieter in der Lage sind, das Kapital für den Kauf ihres Hauses aufzubringen, wenn sie sich auf die beschriebene Art organisieren. Falls der Senat also nicht davon abzubringen ist zu verkaufen, dann sollte er wenigstens per Gesetz verpflichtet werden, den Bewohnern eines Hauses ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Hier könnte außerdem der Senat in Zusammenarbeit mit Stiftung Edith Maryon, Stiftung trias, Mietshäuser Syndikat u.a. durch Aufklärung und der Einrichtung einer Informationsstelle für das nötige Wissen um Rechtsformen und Finanzierungswege bei den Mietern sorgen.

Bei dem Verkauf der GSW wurde den Mietern ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Allerdings wandte man sich dabei nicht an soziale Netzwerke, die die weitere Kapitalisierung der Wohnungen und weitere Mietsteigerungen hätten ausschließen können, sondern an die einzelnen Mieter. Die Wohnungen sollten schlicht in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Die Umwandlung von Wohnungen in Eigentumswohnungen ist jedoch einer der Gründe für die Verteuerung des Berliner Wohnraums. Genau das darf also nicht geschehen. Das Vorgehen der GSW zeigt allerdings, dass der Vorschlag, den Mietern unter der Bedingung der Bildung einer sozialen Organisationsform ein Vorkaufsrecht einzuräumen, ohne weiteres aufgegriffen werden kann.

b) Die Gründung einer senatseigenen oder parteieigenen Initiative

Der Senat, aber auch die Parteien, müssen sich jedoch nicht auf die Unterstützung nicht-staatlicher Organisationen beschränken, sondern können selbst die Initiative ergreifen, wenn sie die Grundstruktur der nicht-staatlichen Organisationen verstehen und deren Prinzipien bei der Gestaltung der Organisationsform der eigenen Initiative berücksichtigen. Und diese Prinzipien betreffen im wesentlichen die reale Bedeutung, die der Begriff „Eigentum“ durch die jeweilige Organisationsform erhält.

Auch die soziale Wirkung des Staatseigentums hängt davon ab, was „Eigentum“ konkret bedeutet. Und wie oben entwickelt wurde, entscheidet darüber die Gestaltung zweier Aspekte von Eigentum. Der eine Aspekt betrifft die Art der Übertragung des Grundstücks. Ist das Recht käuflich, oder wird es kaufpreislos übertragen? Und damit zusammenhängend: entscheidet das abstrakte Geld, oder entscheidet die Art der Nutzung darüber, wer Eigentümer wird? Der andere Aspekt betrifft gewissermaßen die Innenperspektive von Eigentum: Das Verhältnis zwischen Eigentümer und Nutzer. Gibt es einen Eigentümer im Hintergrund, der den tatsächlichen Nutzer des Grundstückes bevormunden kann? Und gibt es einen Eigentümer im Hintergrund, der von dem Nutzer eine Geldzahlung verlangen kann, ohne eine entsprechende Gegenleistung erbringen zu müssen? Von der praktischen Beantwortung dieser Fragen hängt die soziale Wirkung des Eigentums ab.

Die Frage des Verhältnisses zwischen Eigentümer und Nutzer kann der Senat dadurch beantworten, dass er die sich auf dem Staatsbesitz befindlichen Häuser in Erbpacht vergibt. Der Erbpächter erhält das volle Eigentumsrecht an dem Haus, wodurch seine individuelle Initiativkraft nicht durch Hereinreden des Staates gebremst werden kann. Wird der Vertrag entsprechend gestaltet, kann außerdem dafür gesorgt werden, dass weder der Staat von dem Erbpächter, noch der Erbpächter von dritten ungerechtfertigte Zahlungen verlangen kann (siehe Kapitel III, Abschnitt b). Erfahrungen mit dem Erbbaurecht haben bereits viele Kommunen gemacht, und Roland Geitmann, Professor für Öffentliches Recht an der Hochschule Kehl, hat in seiner Studie Erbbaurecht in West und Ost eine zusammenfassende Darstellung dieser Erfahrungen gegeben[5].

Mit der Anwendung des Erbbaurechts ist aber die Gefahr einer Mietsteigerung noch nicht gebannt. Denn das sich im Besitz des Senates befindliche Grundstück steht weiterhin dem Immobilienmarkt zur Verfügung. Nichts hindert die regierende Partei daran, das Grundstück wieder zu verkaufen. Soll die Spekulation auf eine Wertsteigerung des Bodens und die damit verbundene Mietsteigerung unterbunden werden, so muss der Boden dem Markt jedoch dauerhaft entzogen werden.

Eine Unverkäuflichkeit und dauerhafte Sozialbindung des Eigentums lässt sich nur dadurch erzeugen, dass es in Rechtsverhältnisse eingebunden wird, die die Parteipolitik einer Wahlperiode überdauern. Eine für diesen Zweck geeignete Rechtsgrundlage bietet gegenwärtig das Stiftungsrecht. Liegt das Eigentum nicht unmittelbar bei dem Staat, sondern bei einer staatseigenen Stiftung, dann kann über die Definition des Stiftungszwecks eine Sozialbindung des Eigentums gesichert werden. Das betreffende Grundstück kann dann auch nach einem Regierungswechsel nur für den vorgesehenen Zweck verwendet werden. Als Zweck ließe sich z.B. die Erhaltung gewachsener Sozialstrukturen, oder die Erzeugung günstigen Wohnraumes für soziale, kulturelle oder alternativ-wirtschaftliche Initiativen eintragen. Verkauft werden könnte das Grundstück theoretisch zwar immer noch, der Erlös müsste dann aber im Stiftungsvermögen verbleiben und wieder in den selben Zweck fließen – weshalb ein Verkauf wenig wahrscheinlich wäre. Durch weitere Maßnahmen könnte ein Verkauf zusätzlich erschwert werden, etwa durch entsprechende Satzungseintragungen oder Änderungen im Stiftungsrecht des Landes, die für eine größere Unabhängigkeit der Stiftung von den partikulären Interessen der regierenden Partei sorgen.

Der Vorschlag lautet also: Kombination von Erbbaurecht und Stiftungsrecht in einer Initiative des Senats – oder der Partei. Die Grünen haben mit der Heinrich-Böll-Stiftung eine erfolgreiche Stiftung für die Förderung der politischen Ziele ihrer Partei gegründet, und da der Kampf gegen die Zerstörung von Wirtschaft, Kultur und Recht in Berlin sicher auch zu diesen Zielen gehört, können sie ohne weiteres auch eine Stiftung für eine soziale Immobilienverwaltung gründen.

Es mag noch ganz andere Wege geben. Gemeinsam haben aber alle Wege, dass sie bestehendes Recht zweckentfremden und kombinieren müssen, um faktisch ein unverkäufliches Eigentum und eine Leistungsbezogenheit der Miete zu erzeugen. Unserem Recht fehlt einfach eine entsprechende Grundlage. Die Verwendung des Stiftungsmodells oder anderer rechtlicher Konstruktionen hat deshalb nur dann einen Sinn, wenn sich die Akteure gleichzeitig für ein Recht einsetzen, das solche Hilfskonstruktionen überflüssig macht. Dies gilt umso mehr, da die Schaffung spekulationswertbereinigter Räume nicht grenzenlos ausdehnbar ist: Ab einer gewissen Größe wird die spekulationswertbereinigte Wohnfläche den spekulativen Wert der übrigen Wohnfläche erhöhen. Damit ist angedeutet, welche bundespolitischen Maßnahmen in der Zukunft die landespolitischen begleiten müssen.

V. Anhang

a) Anmerkungen

  • [1] Morgenpost vom 24.11.09
  • [2] Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 16.10.09
  • [3] Tagesspiegel vom 04.03.09
  • [4] Morgenpost vom 24.11.09
  • [5] Roland Geitmann: Erbbaurecht in West und Ost, Fragen der Freiheit (H. 220), Seminar für freiheitliche Ordnung, Online-Version: www.dreigliederung.de/essays/1993-12-002.html

 

b) Adressen

Institut für soziale Dreigliederung
Johannes Mosmann
Liegnitzer Straße 15
10999 Berlin
Kontakt
www.dreigliederung.de

Bewegung für soziale Dreigliederung e.V.
Fehrbelliner Strasse 6
10119 Berlin

Solidaritätsfonds für Berliner und Brandenburger Hausprojekte
Michael Wilhelmi
Köpenicker Str. 174
10997 Berlin
Kontakt
www.hausprojekte-solidarfonds.de

Stiftung trias
Postfach 80 05 38
45505 Hattingen (Ruhr)
Büroadresse: Martin-Luther-Str. 1
45525 Hattingen
Telefon: 02324/9022213
Kontakt
www.stiftung-trias.de

Stiftung Edith Maryon
Theaterstrasse 4
Postfach 2108
CH-4001 Basel
Tel.+41 (0)61/2630625
Kontakt
www.maryon.ch

Berliner Verwaltung für Stiftung Edith Maryon:
Allmendia GmbH
Andreas Fecke
Am kleinen Wannsee 23n
14109 Berlin
Tel.: 030/80603292
Kontakt
allmendia.com

Mietshäuser Syndikat
Adlerstr. 12
79098 Freiburg
Tel.: (0761) 281892 (AB)
Kontakt
www.syndikat.org

 

c) Literatur

Roland Geitmann: Erbbaurecht in West und Ost, Fragen der Freiheit (H. 220), Seminar für freiheitliche Ordnung, Online-Version: www.dreigliederung.de/essays/1993-12-002.html

Stiftung trias: Rechtsformen für Wohnprojekte, Bestellbar unter www.stiftung- trias.de/infomaterial.html

Info-Broschüre Mietshäuser Syndikat: Rücke vor zur Schloss-Alle, www.syndikat.org/s/service/broschuere_nr4.pdf

Die Bodenfrage vom Standpunkt der Dreigliederung: www.dreigliederung.de/bodenreform

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